Kirchliches Leben1)
von Addo Winkels
Man erzählt sich noch heute, dass einige Männer es beim Besuch der Kapelle traditionsgemäß nur bis zum Windfang oder bei großem Andrang nur bis auf den Vorplatz schafften. Kurz vor Ende des Gottesdienstes verließen sie dann still den heiligen Ort, um in der einzigen Wirtschaft gegenüber neue Kraft zu schöpfen. Auf ihr wiederholtes Klopfen öffnete die Wirtin, die sog. „Tutt", unter lautem Schimpfen die Tür, so dass die Männer ihren Stammplatz einnehmen konnten. Viele Konferenzen, Besprechungen und Planungen wurden durchgeführt, ehe sich langsam, aber sicher das Konzept einer Kirche herausschälte, die in Bösinghoven errichtet werden sollte. Die Verfechter dieser Idee argumentierten nicht zu Unrecht, dass die aufstrebende Gemeinde ein Gotteshaus brauchte und dass dieses Gotteshaus mitten in die Gemeinde und nicht auswärts gehöre. So entschloss sich der Kapellenvorstand mit Pater Mordstein, ein Zentrum der Begegnung zu planen, in dem alle Interessenten- und Altersgruppen Platz fanden zum Beten, Hören, Feiern, Diskutieren wie auch zum Singen und Spielen.
Bei den umfangreichen Vorbereitungen und zahlreichen Besprechungen sowie bei der Koordination mit den beteiligten Behörden leistete Pater Mordstein aufgrund seines persönlichen Engagements wertvolle Dienste. Das neue Pfarrzentrum sollte umfassend mit Andachts- und Gruppenräumen sowie Pfarrbüro, Bücherei und Priesterwohnung ausgestattet sein. Somit wäre für die zahlreichen Gruppen und Vereine – wie Schützen, Frauengruppen, Kinder- und Jugendgruppen, Messdiener, Bibelkreise, Seniorengruppen und Kirchenchor – endlich Platz geschaffen. In der Tat sollte das kirchliche Leben einen ungewöhnlichen Aufschwung erhalten.
Im Juli 1962 feierte Pater Mordstein mit der ganzen Gemeinde sein silbernes Priesterjubiläum: Die Straßen waren mit zahlreichen Girlanden und Fahnen geschmückt; der Jubilar selbst zelebrierte unter Assistenz von Dechant Kaiser und Pfarrer Euskirchen eine Festmesse in der Ossumer Kapelle. Dann folgte mit den Spitzen der Verwaltung sowie Vertretern der Vereine ein Empfang in der Gaststätte Bongartz, bei dem der damals noch aktive Ossum-Bösinghovener Gesangverein ein Ständchen brachte. Dieses Fest war der lebendige Beweis dafür, dass Pater Georg Mordstein fest in der Gemeinde verwurzelt war.
Um das Bauprojekt weiter voranzubringen, wurde 1965 ein Kirchbauverein gegründet, der mithelfen sollte, die finanziellen Voraussetzungen zu verbessern. Die Verhandlungen mit den zahlreichen Beteiligten, besonders die intensiven Überlegungen zwischen Praktikern und Planern nahmen noch einige Jahre in Anspruch, denn „gut Ding will Weile haben". Ehe das neue Pfarrzentrum gebaut werden konnte, wurde schon eine Reihe von Veranstaltungen von Ossum nach Bösinghoven verlegt, um den Weg nach Ossum zu sparen. Dazu gehörten Kurse und Vorträge, die Kommunionvorbereitung, Termine von Gruppen und Vereinen, die in der Schule stattfanden. Sogar Gottesdienste fanden in Klassenräumen statt, ggf. wurden auch Veranstaltungen in der Gaststätte Büker-Bongartz abgehalten. Man stellte sich auf diese Provisorien ein in der sicheren Erwartung, dass in naher Zukunft ja das neue Pfarrzentrum zur Verfügung stehen würde.
Für Pater Georg Mordstein ging der Dienst in Ossum-Bösinghoven seinem Ende entgegen: Nach 15 Jahren kehrte er 1968 aus Altersgründen in seine Heimat Volkach am Main zurück. Die Gemeinde verabschiedete ihn als den Meister der Improvisation und der Planung in eine bessere Zukunft. Doch die Zeit blieb nicht stehen. Kurz darauf übernahm der niederländische Karmeliterpater Cornelius Roeleveld die Aufgaben seines Vorgängers. Er kümmerte sich um die Erweiterung der bestehenden Gruppen und Vereine, besonders aber um den Aufbau der Jugendgruppen, sowie um die Pflege des religiösen Brauchtums bei Prozessionen, Schützenfesten, Martinszügen usw. 1969 nahm man eine weitere Chance wahr, einen wichtigen Schritt nach vorne zu tun: Es wurde ein Grundstück im Neubaugebiet von Ossum-Bösinghoven erworben, auf dem ein Pfarrzentrum errichtet werden konnte. Schließlich waren die finanziellen Voraussetzungen geschaffen, um das Projekt zu verwirklichen. Das Architekturbüro Schöningh & Nagel aus Krefeld-Uerdingen erstellte die Pläne, die dann nach und nach von allen verantwortlichen Stellen akzeptiert wurden. Nachdem am 13. August 1974 endlich die Baugenehmigung erteilt worden war erfolgte im November 1974 die Grundsteinlegung im Rahmen einer Gemeindeveranstaltung. Dann dauerte es bis zum 11. Juli 1975, bis das Richtfest gefeiert werden konnte. Inzwischen war Pater Roeleveld nach Bösinghoven umgezogen, bevor das Rektorhaus in Ossum verkauft wurde. Am 29. August 1976 endlich weihten der Aachener Weihbischof Buchkremer, Dechant Euskirchen und Pater Roeleveld die neue Kirche feierlich ein. Manche bedauerten, dass die Gottesdienste nicht durch eine Glocke angekündigt werden und dass ein Kirchturm fehlt. Die Hauptsache aber war, dass alle Termine fortan in Bösinghoven untergebracht werden konnten, ein Erfolg, auf den die Bösinghovener Jahrhunderte lang gewartet hatten. Pater Roeleveld rief seine Gemeinde auf, sich zu engagieren und die vielen neuen Möglichkeiten zu nutzen, die das neue Pfarrzentrum bietet: Es enthält einen Sakralraum mit Altar, einen Mehrzweckraum für größere Veranstaltungen, drei Gruppenräume, einen Vorraum, eine Küche, einen Sanitär- und Abstellraum sowie einen Innenhof als Forum, womit die Voraussetzungen von Gruppenveranstaltungen verschiedenster Art gegeben waren.
1) in: Peter Dohms (Hrsg.), Menschen, Leben, Geschichte, Meerbusch 2007, S. 113 ff.
von Peter Bremes
1186 erste Erwähnung des Namens Osnam, später Ossum.
Ca.1000 Errichtung des Mittelteils der Kapelle aus 1m dicken Eifeler Tuffstein, von außen gut erkennbar, mit der alten Eingangstüre.
1868 Anbau des Chores in Richtung Osten; ebenfalls von außen heute noch deutlich sichtbar. Auch innen wird diese Erweiterung durch den Versatz zwischen dem 2. und 3. Seitenfenster erkennbar. Das Sterngewölbe über dem Altar stammt von diesem Ausbau, die Taube im Zentrum ist noch gut sichtbar.
1911 Ausbau der Kapelle nach Westen; von außen gut sichtbar als der größere Teil der Kapelle mit dem Glockentürmchen.
1937/38 Erbauung des Rektorates (Gebäude rechts neben der Kapelle).
1941 Abriss der alten und Errichtung der heutigen Sakristei.
2003 Neugestaltung des Eingangsbereiches.
2011 Neugestaltung des Vorplatzes
Die Fenster im Altarraum und die beiden Fenster hinten links und rechts wurden 1947/48 nach Entwürfen des Künstlers Heinrich Windelschmidt (Köln) von dem Kölner Glasmaler Franz Melchior erstellt. Die mittleren drei Fenster im Chorraum sollen von links nach rechts die drei göttlichen Tugenden Hoffnung, Glaube nd Liebe symbolisieren. In allen drei Fenstern findet sich die sitzende Engelsfigur, die auf die Göttlichkeit der Tugenden hinweisen soll. Der Anker im linken Fenster weist auf die Hoffnung hin, das Kreuz im mittleren Fenster soll den Glauben darstellen, und die lodernde Flamme in der Schale soll die Flamme der Liebe versinnbildlichen.
Neben diesen drei zentralen Chorfenstern werden in zwei Fenstern die vier Grundtugenden dargestellt. Im linken Fenster finden sich die Tugenden der Klugheit und Gerechtigkeit, dargestellt durch die Schlange für die Klugheit und die Waage mit Schwert für die Gerechtigkeit. Am unteren Rand dieses Fensters ist der Mammon als Gegensatz zur Gerechtigkeit zu sehen. Im rechten Fenster sind der Löwe für den Starkmut sowie Sanduhr und Zirkel für die Mäßigung zu sehen. Schwankende Rohre im unteren Teil des Fensters sind als Gegensatz zum Starkmut gewählt. Das hintere Fenster am Taufbrunnen stellt die Taufe des Hl. Pankratius durch Papst Marcellinus dar. Sein späteres Martyrium ist durch Schwert, Palme und Krone angedeutet. Das Fenster hinten rechts zeigt die Überwindung des Drachen durch den Ritter St. Georg. Der Christ wird durch die Taufe in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen (vgl. das Bild hinten links). Das Leben in dieser Gemeinschaft vollzieht sich in der Ausübung der Tugenden (vgl. die Chorfenster). Das Leben des Christen ist ständig gefährdet und findet statt im Kampf gegen Sünde und Schuld (vgl. das Bild hinten rechts)(basierend auf Notizen von Prälat Georg Buscher).
Von der alten Ausstattung der Kapelle ist nicht viel bekannt. Nach einer Notiz im alten Lagerbuch im Jahre 1844 befand sich in der Kapelle eine Galerie, die auf einem Stein die Jahreszahl 1764 enthielt. Im Chor stand ehemals ein barocker Altar, der nach 1849 weiß und gold gestrichen worden war. An seine Stelle trat 1879 ein von dem einheimischen Schreiner Zens gefertigter Schnitzaltar aus Eichenholz, dessen Unterbau noch erhalten ist. Das Seitenaltärchen mit dem Bildnis Mariens von der immerwährenden Hilfe stammt aus dem Jahre 1901. Bis 1939 stand es auf der linken Seite der Kapelle, ist dann aber nach rechts versetzt worden, um dem im selben Jahr beschafften Taufstein Platz zu machen. Seine Schale mit bronzenem Deckel ruht auf einem Podest aus kreuzförmig gestellten Klinkern. Eine in den Sockel eingemauerte Glasbüchse hält in einer kurzen Notiz fest, dass der Krefelder Architekt Werner Hake den Taufstein entworfen und Hubert Jacobs aus Ossum ihn geschaffen hat. Die auf Kupferblech gemalten Kreuzwegbilder mit französischer Inschrift sind nach dem Krieg aus Arenbergschem Besitz aus Schloß Pesch in die Kapelle gekommen. Älteste Teile der Inneneinrichtung sind die dunklen Bänke des Mittelteils mit ihren schön geschnitzten Wangen, die auf das Jahr 1744 zurückgehen. Über dem nördlichen Seitenportal, das 1944 durch deutsche Soldaten zugemauert worden war, stand früher die Inschrift: Wollt ihr St. Pankratius Vorbild ehren, bewahret treu des Glaubens Lehren...1)
Im Glockenturm hängt ein Glöcklein aus dem Jahre 1649 mit der Inschríft "SANCTA MARIA ORA PRO NOBIS, NICOLAS UNCKEL GUSZ MICH 1649". Die Uhr über der Eingangstür stammt aus der Lanker Pfarrkirche und wurde von Hubert Jacobs (Ossum) eingebaut. Im Jahre 2001 konnte sie elektrifiziert werden, möglich wurde dies durch eine großzügige Spende.
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1) Karl Emsbach, Die St. Pankratius-Kapelle zu Ossum, In: Wo die Zeit stehen blieb. Ossum-Bösinghoven von der Römerzeit bis zur Gegenwart, Festschrift zum Jubiläum der ersten Erwähnung 1186.1986, Hrsg. v. Heimatkreis Lank e.V., 1986, S.71 - 81, hier: S. 77f.